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Das Geschäft mit der guten Sache auf der Insel

Hei hai Yu Hei Yu Das Geschäft mit der guten Sache auf der Insel

Eines Morgens bin ich aufgewacht und habe mir gesagt, ich muss dieses Leben hinter mir lassen“, sagt Colmin. Der Mechaniker aus Birmingham hat harte Zeiten durchgemacht. Mit Anfang 20 geriet er auf die schiefe Bahn, dealte mit Drogen, landete im Gefängnis. Nach seiner Freilassung hatte er für eine Weile einen Job, bis wieder Drogen dazwischenkamen und er schließlich obdachlos wurde. Aber jetzt sollte alles anders werden. Einen Termin für ein Vorstellungsgespräch hatte er zwar – aber nichts Passendes anzuziehen.

„Im Internet bin ich auf Suited for Success gestoßen“, sagt er. Er sei direkt hingegangen, habe einen Termin ausgemacht. Und dann sei er mit Anzug, Hemd, Krawatte und Schuhen in seiner Größe ausgestattet worden. „Ich fühlte mich gut angezogen, einfach gut. Und ich habe mich wirklich nur dank des Anzugs so selbstsicher gefühlt“, sagt er. Den Job hat er direkt bekommen.

Suited for Success ist eine Wohltätigkeitsorganisation in Birmingham, vor zwei Jahren von der Rechtsanwaltskanzlei Gowling WLG und einer Reihe anderer Beratungsunternehmen gegründet. Die Organisation sammelt Kleider- und Schuhspenden, förmliche Bürokleidung, Anzüge, Kostüme, Hemden. Die meisten Nutzer kommen nach einer Empfehlung, von einem Jobcenter, einer städtischen Essensausgabe, einer karitativen Einrichtung. Für ihr Vorstellungsgespräch werden sie eingekleidet, bekommen aber auch Tipps für die Gesprächssituation, inklusive der Vorbereitung auf mögliche Fragen.

Ein wenig fällt Suited for Success mit seinem Konzept aus der Reihe. Der größte Teil der britischen Wohltätigkeitsorganisationen sammelt Spenden wie Bekleidung und Schuhe, aber auch Bücher, Videokassetten, Haushaltswaren, Schmuck, Saisonware, um sie in einem landesweiten Netz von Charity Shops zu verkaufen. So wird die Finanzierung des Organisationszwecks unterstützt.

Geschätzte 11.500 dieser Läden gibt es im Land, sagt Mark Chapman. Er gehört dem Management des zuständigen Verbandes an, der Charity Retail Organisation (CRO). Rund 8500 der Shops sind im Verband organisiert. Darunter sind große Organisationen, etwa die British Heart Foundation, die medizinische Forschung im Bereich von Herz-Kreislauf-Erkrankungen unterstützt, oder Barnardo’s, eine 150 Jahre alte Einrichtung zur Unterstützung von Kindern und jungen Erwachsenen in Not. Beide betreiben jeweils über 700 Ladenlokale im ganzen Land. Andere sind regionale Initiativen, unterstützen ein Hospiz in der Stadt oder eine lokale Initiative für Obdachlose.

Auf praktisch jeder britischen High Street, der Hauptgeschäftsstraße, findet sich ein Charity Shop, oft sind es sogar mehrere. Fünf sind es auf den ersten 200 Metern von St. John’s Road, einer geschäftigen Einkaufsstraße in Battersea, im Südwesten von London.

An diesem Tag im Dezember sind sie alle gut besucht. Michela, Mitte 20, hat im Laden der British Heart Foundation zwei festliche Kleider in ihrer Größe gefunden. Jetzt wartet sie darauf, dass die Umkleidekabine frei wird. „So etwas ziehe ich nicht oft an, aber für weniger als 15 Pfund würde ich mir das zu Weihnachten schon gönnen“, lacht sie. Um sie herum quellen die Ständer über vor Ware, sortiert nach Typ – Mäntel, Oberteile, eine ganze Stange mit Pullovern mit Weihnachtsmotiven – und Größe. Dazwischen stehen Ständer mit Accessoires, außerdem Weihnachtskarten, Weihnachtsschmuck, Bücher.

Der größte Teil der Ware ist gebraucht und günstig. In einem Regal steht eine Auswahl festlicher Pumps, in Silber oder mit goldenem Flitter besetzt. Kein Paar davon kostet mehr als acht Pfund.

Das Geschäft lohnt sich für die Wohltätigkeitsorganisationen. 863 Millionen Pfund (977 Millionen Euro) haben die im Verband zusammengeschlossenen Ladengeschäfte im vergangenen Jahr umgesetzt, fast drei Prozent mehr als im Vorjahr. Unterm Strich blieben 165 Millionen Pfund, ein Rückgang von zwei Prozent. Die Statistik der CRO weist eine Reihe von Organisationen aus, die Gewinnmargen von deutlich über 25 Prozent erwirtschaften. 43,3 Prozent sind es für die schottische Alzheimer-Gesellschaft und die Paul-Sartori-Stiftung, die Schwerkranke zu Hause pflegt.

Kosten verursachen vor allem die Mieten, erläutert Chapman. Von der Gewerbesteuer sind die wohltätigen Handelsunternehmen zwar zu 80 Prozent befreit, und auch die verbleibenden 20 Prozent kann eine Kommune erlassen. Für das jeweilige Ladenlokal wird aber Miete fällig, normalerweise in gleicher Höhe wie in den Vergleichsflächen ringsum. 22.000 Pfund im Jahr sind es im Landesdurchschnitt, in London erheblich mehr. Der Verband unterstützt die Mitglieder beim Lobbying, hilft aber auch mit Schulungen, Konzepten und Networking bei der Professionalisierung.

Personalkosten sind der zweite große Kostenblock. Die meisten Geschäfte würden von einem festangestellten Shopmanager geführt, sagt Chapman. Teilweise wird er von einer weiteren festen Kraft unterstützt: „Viele Organisationen sind zu dem Schluss gekommen, dass sich das für sie lohnt.“ Ein Verantwortlicher übernimmt den Hauptteil der Organisation und wird für das Sortieren von Spenden, den täglichen Verkauf, die Präsentation der Waren von Freiwilligen unterstützt.

Amar Purohit ist einer dieser Shopmanager. Seit gut einem Monat ist er für den Laden des Royal Trinity Hospice in der St. John’s Road verantwortlich. „Unser Geschäft unterscheidet sich deutlich vom klassischen Handel“, erläutert er. Ware könne nicht einfach nachbestellt werden, der Laden muss das ansprechend präsentieren, was gespendet wird, und entsprechend immer wieder neu dekorieren. „Wenn wir plötzlich eine große Zuwendung bekommen, sagen wir Schmuck, dann räumen wir oft direkt um, um das zu zeigen.“

Er legt großen Wert auf eine hochwertige Auslage. Die Bekleidung hängt nach Farben sortiert, viele Stücke sind Designerware, oft kaum getragen, die zu entsprechenden Preisen verkauft werden kann.

Die Freiwilligen, die regelmäßig im Laden aushelfen, würden aus ganz unterschiedlichen Beweggründen kommen, sagt Purohit. „Wir haben Leute, die zwischen zwei festen Jobs etwas Sinnvolles tun möchten. Dann junge Leute, die Erfahrung sammeln wollen.“ Eine ganze Reihe von Helfern komme gezielt, um das Hospiz zu unterstützen, nachdem jemand aus der Familie oder dem Bekanntenkreis dort gepflegt worden ist.

Entsprechend unterschiedlich sind die Arbeitszeiten, manche helfen für ein paar Stunden am Wochenende, andere kommen für ganze Arbeitstage. Gleich nebenan, im Shop von Scope, erhalten Menschen mit Behinderung eine Beschäftigungsmöglichkeit. Sie zu unterstützen ist das Ziel der karitativen Einrichtung. Im Schnitt weist die CRO-Statistik 17 Ehrenamtliche je Shop aus.

Viele der Spender wohnen in der Umgebung. „Das Konzept ist großartig. Es hilft mir beim regelmäßigen Ausmisten, wenn ich weiß, dass Kleider oder Geschirr, das ich nicht mehr nutze, nicht auf den Müll wandert, sondern anderswo zum Einsatz kommt“, sagt Clare Willan, die mit einer großen Tüte bepackt in den Laden kommt, Kleider, die sie und ihr Mann aussortiert haben. Was ein Laden nicht nutzen kann, weil der Zustand nicht gut ist oder es nicht ins Sortiment passt, wird weitergegeben, manchmal an andere Einrichtungen, die dafür Verwendung haben, manchmal an Verwertungsgesellschaften.Regelmäßig bekomme er aber auch fabrikneue Ware, sagt Purohit. Unternehmen werden so ältere Bestände los. Gerade hat er beispielsweise rund drei Dutzend Manschettenköpfe mit Konterfei von Bruce Lee im Angebot.

Neben dem Aspekt der Wohltätigkeit – einen guten Zweck mit Sachspenden oder dem Einkauf zu unterstützen – könnten die Shops auch zunehmend mit Einfluss auf die Umwelt punkten, sagt Chapman. Im vergangenen Jahr konnten allein über 90 Prozent der gespendeten Bekleidung verkauft oder dem Recycling zugeführt werden, das macht 330.000 Kleider im ganzen Land, die nicht auf der Deponie gelandet sind. Entsprechend positiv ist auch das Ansehen in der Verwaltung, weil die Shops wenigstens etwas dazu beitragen, das Müllproblem zu reduzieren.

Michela hat in der Zwischenzeit ein Kleid gefunden, nachtblau mit silbernen Fäden durchwirkt. „Irgendwie aus zwei Gründen“, antwortet sie auf die Frage, warum sie hier einkauft. „Anderswo könnte ich es mir nicht unbedingt leisten. Aber es ist auch ein gutes Gefühl, dass ein gutes Stück weiter genutzt werden kann.“

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