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Ein Kleid zum Preis einer Wohnung

Nach dem Spektakel auf dem Laufsteg geht es für Chanel und Co. erst richtig los.

Pariser Haute Couture ist wie ein Feuerwerk. Auf dem Laufsteg blitzt kurz etwas auf – und erlischt danach auch schon wieder. Was eben noch am Körper eines Models die Blicke auf sich zog, taucht danach ab im Dunkel von Fluren und Umkleideräumen. In Boutiquen wird man die gefeierten Entwürfe nie zu sehen bekommen. Und wenn am Freitag die bedeutendste Modewoche der Welt zu Ende ist, scheint nur das zurückzubleiben, was Modejournalisten, Blogger und Fotografen festgehalten haben. Doch was passiert mit den in wochenlanger Arbeit gefertigten Kleidungsstücken? Natürlich landen sie nicht im Container.
Was folgt, spielt sich in diskretem Dunkel ab, ist aber für Dior, Chanel und die anderen großen Modehäuser nicht weniger wichtig. Für sie heißt es dann, das als Haute Couture, also als hohe Schneiderkunst, Präsentierte zu verkaufen, um so zumindest einen Teil der horrenden Kosten der Schauen wieder hereinzuholen.

Doch wer kann und will sich Haute Couture leisten? Wer wird sich etwa an einem lauen Frühlingstag überstreifen, was die Designerin Maria Grazia Chiuri für Christian Dior entworfen und zu Wochenbeginn präsentiert hat: dieses nach den Worten der Modeschöpferin "mit dem Fantastischen, Irrealen spielende, vom Surrealismus der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts inspirierte Vogelkäfigkleid", gefertigt aus schwarzen Bändern?

Das Thema ist tabu. Einvernehmlich weisen die Pariser Modehäuser darauf hin, dass sie der Kundschaft zu höchster Diskretion verpflichtet seien. Auch die Preise fallen unters Schweigegelübde. Dabei dürften sie aus Sicht der Kundinnen eigentlich keine große Rolle spielen. Wer sich bei Haute-Couture-Meistern mit von Hand Gefertigtem einkleidet, muss aufs Geld nicht groß achten. Nur selten hebt sich der Mantel des Schweigens ein wenig. Zu verdanken ist dies ehemaligen Mitarbeitern, die im Schutze der Anonymität das eine oder andere Detail preisgeben. Setzt man die Fragmente zusammen, entsteht doch ein recht aussagekräftiges Bild.

Die Modehäuser organisieren private Präsentationen für
ihre potenziellen Kunden

Handarbeit heißt im Fall der in den Verkauf gelangenden Haute Couture immer Maßarbeit. In der Regel erscheint die Kundin drei- bis viermal zur Anprobe, trägt Änderungswünsche vor. Mehrfach reist das Kleidungsstück zwischen Atelier und Abnehmerin hin und her. Chanel veranschlagt für ein Kostüm angeblich 200 Arbeitsstunden, für ein Cocktailkleid 150 und für eine Hochzeitsrobe 800. Womit wiederum plausibel erscheint, was inoffiziell verlautet, dass nämlich ein fertiges Chanel-Kostüm rund 30 000 Euro kostet.

Anders als im vergangenen Jahrhundert, als sich betuchte Damen alle halbe Jahre nach Paris bemühten, um ihre Garderobe zu vervollständigen, kommen die Hersteller heutzutage zu ihnen. Modehäuser organisieren nicht nur private Haute-Couture-Präsentationen in Hongkong, Tokio, São Paulo oder Los Angeles. Sie suchen potenzielle Käuferinnen dort auch anschließend auf, bitten zur Anprobe ins Studio eines Fünf-Sterne-Hotels oder ins Hinterzimmer einer Luxusboutique. Stylisten des Hauses sind bei den Anproben ebenfalls zugegen, beraten die Kundschaft, zeigen ihr aber auch Grenzen des Machbaren auf. Sie sind etwa erreicht, wenn die gewünschten Änderungen das Werk des Modeschöpfers entstellen würden.

Und auch das Tragen des auf den Leib Geschneiderten verlangt den Trägerinnen heutzutage nicht mehr viel ab. Karl Lagerfeld hat dies zu verstehen gegeben. Er liebe die Frauen, die ein 200 000-Euro-Kleid mit derselben Haltung trügen wie einen Adidas-Anzug, hat Lagerfeld einmal gesagt.

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