"Die AfD hat ihr bürgerliches Kleid abgelegt"

Nur eine Stimme. Dann hätte es gereicht und Doris von Sayn-Wittgenstein wäre Co-Chefin von Jörg Meuthen. Eine Frau, die Patriotismus und Nationalstaat beschwört. Es gibt Jubelrufe und Applaus. Was für viele auf dem Parteitag in Hannover wie eine Überraschung aussieht, offenbart sich als politischer Coup vom "Flügel".

Der Rechtsausleger der AfD hat die bis dahin unbekannte AfD-Chefin aus Schleswig-Holstein bewusst ins Rennen geschickt und damit fast den Parteitag torpediert. André Poggenburg, AfD-Chef von Sachsen-Anhalt und Mitinitiator des "Flügels", trägt den Triumph mit einem Grinsen vor sich her.

Er weiß, auch wenn es nicht gereicht hat: Das war eine Demonstration der Macht. Sayn-Wittgenstein nur ein Mittel zum Zweck. Die National-Konservativen wollen an die Spitze der Partei. Und sie setzen damit den Gemäßigten zu. Diesmal haben die Delegierten das noch abwenden können. Das Ergebnis an der Spitze heißt jetzt: Meuthen und Gauland. Beide geben sich gern als Vermittler zwischen den Fronten.

Doch Gauland ist auch für die "Flügel"-Leute eine gute Wahl. Gauland macht aus seinen Sympathien für Thüringens umstrittenen AfD-Chef Höcke keinen Hehl, auch er ein Mitinitiator des "Flügels". Höcke und Poggenburg drängen auf eine Neuausrichtung der Partei. In Hannover ist das nicht gelungen, noch nicht. Die Revolte blockiert. Poggenburg selbst verfehlt den Sprung in den Bundesvorstand, kein Stellvertreter-Posten für ihn. Ein Dämpfer auch für den "Flügel".

Jetzt sprechen alle von Geschlossenheit. Es gebe keine Spaltung, keinen Rechtsruck. Die AfD bemüht sich, den Machtkampf klein zu reden. Dennoch: Hannover zeigt, dass die Alternative für Deutschland ein Stück von ihrem bürgerlichen Kleid abgelegt hat.

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